Jesus lädt im Sonntags-Evangelium ein zu einer Phantasie-Reise, einer Art Rollenspiel. Und da werden die Leute sich gern darauf eingelassen haben:
Stellt euch vor, ihr seid Hausherr (oder vielleicht auch Hausherrin – war damals aber eher selten); und ihr habt einen Sklaven (also einen Menschen, der euch gehört, über den ihr bestimmen könnt, wie ihr wollt). Wie werdet ihr mit dem umgehen oder vielmehr umspringen, wenn er abends vom Acker und von der Arbeit kommt und eigentlich nur noch was essen und dann bald schlafen gehen will? Nichts da – du gehst erst mal in die Küche und wirst mein Abendessen zubereiten und servieren. Wenn ich noch was übriglasse, kannst du ja auch noch essen, abwaschen und aufräumen nicht vergessen – und dann ruh dich aus, damit es morgen genauso wieder losgeht wir heute…
Fühlt sich doch irgendwie gut an – eigentlich möchte doch jede und jeder gern mal solche Herrschaft ausüben – über sich selbst, über andere, über die Wirklichkeit. Ich kann alles bestimmen – alles hat für mich da zu sein. Andererseits: moralische Bedenken lugen schon um die Ecke. Ist doch eigentlich gut, dass die Sklaverei längst abgeschafft ist; Menschenwürde und Selbstbestimmung jedes Menschen sind unantastbar – wenigstens da, wo zivilisierte und aufgeklärte Menschen miteinander umgehen. Schon klar – und auch Jesus wird das gewusst haben; er hat ja als Bruder und Freund der Leute gelebt, die mit ihm unterwegs gewesen sind; gerade deswegen haben sie ihn als ihren Anführer verehrt und als ihren Herrn angesprochen.
In diesem Gleichnis geht es Jesus um etwas anderes. Mitten in der Phantasiereise zwingt er zum Rollentausch: statt der „Herrschaft“ seid ihr in Wirklichkeit der Sklave oder die Sklavin. Habt kaum zu erwarten, dass ihr belohnt werdet, bewirtet und umsorgt, nachdem ihr den Tag über geschuftet habt und alles erledigt scheint. Die kurze Geschichte von Herr und Sklave erzählt Jesus ja als Antwort auf die Bitte der Jünger: „Stärke unseren Glauben!“ Und macht klar: Wer sich auf einen Glauben einlässt, mit dem sie oder er Bäume ausreißen und umpflanzen kann… Wer wirklich glaubt, gehört Gott und lässt das eigene Leben von Gottes Auftrag bestimmen. Engagiert sich beruflich oder im Ehrenamt für andere; macht mit bei sinnvollen Aktionen in der Gesellschaft oder in der Kirche, in der Nachbarschaft oder weltweit. Hofft aktiv auf Frieden und Gerechtigkeit, tut das Möglichste zur Bewahrung der Schöpfung. Ohne in erster Linie nach Lohn und Anerkennung zu fragen – so ein Engagement ist ja selbst schon Belohnung, weil es sinnvoll ist und Leben schenkt für andere und für mich selbst.
Für mich ist „unnütze Knechte“ ein zu hartes Wort. Gut einlassen können sich viele aber vielleicht auf die Idee, dass „Herr“ und „Sklave/Knecht“ in Wirklichkeit zusammenspielen. Also: Ich tue, was ich kann; ich engagiere mich und bringe das eine oder andere auch zustande – aber dabei weiß ich immer ganz genau, dass das alles nutzlos wäre ohne Gottes Mitarbeit und Hilfe. Und wenn ich wirklich mal einen Baum ausreißen muss: mein Glaube sagt mir, dass wir das schaffen werden – Gottes große Stärke zusammen mit meiner relativ kleinen aber keineswegs nutzlosen Kraft.
altfried g. rempe |